Mein Plan ist, diesen Beitrag zu Ende zu schreiben, wenn ich mit meiner Nichte im Shinkansen von Tokio nach Kyoto sitze. Im Moment ist es kurz vor 7:00 Uhr am Donnerstag, dem zweiten ganzen Tag hier in Tokio.
Montag/Dienstag war Anreisetag. Um 11:15 Uhr stiegen wir in den Flieger von München nach Tokio um knapp 12 1/2 Stunden später gegen 6:50 Uhr Ortszeit in Tokio wieder auszusteigen. In unser AirBnb konnten wir erst nachmittags, so mussten wir also zuerst unsere Koffer verstauen. Überwältigt von den Menschenmassen an der Tokio Station fanden wir dort einen Service, der unsere beiden Koffer für je 700 Yen (4,20 €) bis abends um 20:00 Uhr aufbewahrt hätte. Das fand ich schon einmal ziemlich günstig.
Den Rest des Tages versuchen wir ein wenig die Gepflogenheiten des Lebens in Tokio kennen zu lernen. Also wie man im 7-Eleven einkauft, oder die Suica-Karte benutzt. Unser erstes richtiges Ziel ist dann der Stadtteil Shibuya, der uns sehr warm und sonnig empfängt. Im Kern erinnert das Viertel an den Times Square in New York – nur viel bunter. Wir stehen gut 10 Minuten in der unorganisiert entstandenen Schlange an der Hachiko-Statue um ein paar Fotos zu schießen. Alles mit sehr freundlichen und hilfsbereiten Mitmenschen aus aller Welt – kein Vergleich zu dem Chaos, wenn man in New York versucht, ein Foto am Wall-Street Bullen zu machen.
Auch den Mega-Donki besuchen wir, allerdings nicht alle Stockwerke, da die Wärme bei mir ihren Tribut forderte und ich mehr auf Wasser angewiesen war, als auf noch mehr Nippes. Daraus bestehen die vier von uns besuchten Stockwerke. Es ist unglaublich wuselig und eng. Und überall werden Regale nachgefüllt. Für heute (Donnerstag) steht ein Shopping-Tag an, da werden wir dem Laden noch mal einen Besuch abstatten. Ich hoffe, dass sich neben dem ganzen Billigkram auch noch ein paar Kleinode finden lassen werden.
Den Rest des Tages suchen wir noch ein paar verbliebende Sakura-Blüten und versuchen ansonsten wach zu bleiben. Das AirBnb befindet sich im fünften Stock (ohne Aufzug) und trotz der Fotos und des Grundrisses bin ich doch überrascht, dass das eine Schlafzimmer gleichzeitig die Küche ist – nun ja, wir bleiben auch nur eine Woche hier. Dafür haben wir eine große Dachterrasse im Stadtteil Taito und können so Tokio noch ein bisschen auf uns wirken lassen und Pläne für den nächsten Tag schmieden.
Mittwoch sollte es dann nämlich zuerst zum Tokyo Tower gehen. Social Media ist zwar voll von Tips für die besten Locations um den Turm zu sehen und zu fotografieren, aber meiner Meinung nach reicht es tatsächlich aus, mit der Bahn in die Gegend zu fahren und dann einfach zu Fuß in seine Richtung zu gehen. Auf den Tower selbst wollten wir gar nicht. Für mich macht der Anblick des rot-weißen Verwandten des Eiffel-Turms selbst den größeren Reiz aus. Das Wetter ist auch wieder toll und in der Nähe des Tokyo Towers statten wir mit dem Zojoji-Tempel unserem ersten „richtigen“ Tempel in Japan einen Besuch ab. Am Vortag waren wir zwar schon am Kaiserpalast, der aber nur mit bezahlter Führung zu besichtigen ist und von dem sonst leider nicht viel zu sehen war. Uns war so früh nach der Ankunft aber nicht wirklich danach.
Da wir am Tag vorher die 22.000 Schritte geknackt hatten, wollten wir den Tag etwas ruhiger angehen und schmiedeten so den Plan, mittags ein wenig in einem kleinen Park zu sitzen, dann etwas Sushi zu Essen und nach einer Pause im AirBnb dann abends zum Tokio Sky Tree zu fahren. Als Restaurant hatten wir uns Sushiro an der Bahnstation Yurakucho ausgesucht – einem Conveyer-Belt Restaurant, wo die Teller mit dem Essen an einem vorbei fahren, bzw. man das bestellte Essen an den Tisch gefahren bekommt. Das Essen war super lecker und sehr, sehr günstig (11 Teller Nigiri & Co., dazu Miso-Suppe, Getränke und Nachtisch für 20 € – für zwei Personen zusammen!), das größte Abenteuer war aber, den Ort überhaupt zu finden. Das Gebäude, in dem sich das Restaurant befinden sollte, war nämlich ein riesiger Elektronik-Laden und rund um das Gebäude selbst wollte sich kein Eingang zum Restaurant finden. Da die U-Bahn-Station unter dem Gebäude liegt und auch noch Geschäfte beherbergt, suchten wir also auch noch dort. Irgendwann hat uns unser leicht genervter Detektivsinn aber dazu geführt, das Restaurant in der siebten Etage des Elektronikladens in einer Ecke zu finden. Das Bestellsystem und insgesamt das Ambiente war so, wie wir uns Tokio vorgestellt hatten und so war das Essen auf jeden Fall ein Highlight des Tages.
Im Elektronikladen – wohl besser „Kaufhaus“ – besuchten wir dann noch die Etage mit Video-Spielen und Spielen insgesamt. Auch eine ganze Reihe von Gashapon-Automaten wartetet hier auf uns. Ein paar der Plastikkugeln landeten so auch in unsere Taschen, sowie ein paar andere Souvenirs.
Nach der angesprochenen Pause in unserem Tokio-Zuhause ging es dann gegen 20:00 Uhr zum Tokyo Sky-Tree. Schon von Außen mit den vielen Lichteffekten ein imposanter Anblick und zusätzlich noch nett an einem Wasserlauf gelegen, an dem ebenfalls noch ein paar Kirschblüten zu entdecken waren und zu Fotos einluden. Man sah zwar, dass der Ticketkauf, sowie der Einlass zu den Aufzügen auf viel mehr Besucher ausgerichtet sind, für uns ging es aber praktisch komplett ohne Wartezeit zu den Ticketautomaten und dann in den Aufzug nach oben. Das Standard-Kombinationsticket, welches zum Besuch der Besucherdecks auf 350m und 450m erlaubt, kostet pro Person 19 €. Unsere New York Erfahrung sorgte für ein überraschtes Gesicht, ob der günstigen Preise. Alleine für sich betrachtet mögen 19 € vielleicht etwas viel sein.
Jedenfalls war die Aussicht wirklich toll und gerade in der Dunkelheit ziemlich beeindruckend. Es gibt allerdings keinen wirklichen Außenbereich, also muss man mit den Reflektionen in den Scheiben leben. Ein kleiner gläserner Boden lädt zu weiteren Fotos ein, wobei mich irritiert hat, warum etwa einem Meter unter diesem Boden noch einer zu sehen war: traut man dem ersten so wenig, dass man den zweiten darunter angebracht hat?
Wir hatten vorher am Fuße des Turms einen McDonalds entdeckt, den wir jetzt mal ausprobieren wollten. Die anderen zwei, die wir bis dahin gesehen hatten, verfügten nicht über die inzwischen bekannten Bestellkioske und unsere Zuversicht, eine rein mündliche Bestellung abzugeben, war doch eher gering. Hier aber bestellten wir einen Teriyaki Chicken Burger und einen Burger, dessen „Brot“ aus Reis bestand. Beides war sehr lecker, es wird aber wohl trotzdem der letzte Ausflug dieser Art gewesen sein. Zu viel haben wir noch auf der Liste der Dinge, die wir in Japan gerne kulinarisch ausprobieren möchten.
Es ist recht erstaunlich, wie schnell sich der Körper an die Zeitumstellung gewöhnt, wenn man den ganzen Tag über irgendwie unterwegs ist. In Europa merke ich immer, wie die Stunde bei der Umstellung zwischen Sommer- und Winterzeit, bzw. auch in die andere Richtung, meinen Tagesrhythmus aus dem Takt bringt. Mein Appetit/Hunger ist total verspätet und sowohl Morgens, als auch Abends bin ich entweder viel zu müde, oder kann nicht einschlafen. Hier sind zwar erst zwei Nächte vergangen, aber irgendwie fühlt sich das doch „richtig“ an.
Donnerstag war dann ein bisschen Shopping angesagt. Dazu wollten wir in das „Gaming-Viertel“ Akihabara und sind zuerst in einen Second-Hand Buchladen gegangen. Über gut fünf Etagen (die genaue Zahl weiß ich schon nicht mehr) sind wir durch die Gänge geirrt. Ich, weil ich Bücher von Haruki Murakami (1Q84 habe ich leider nicht gefunden) gesucht habe, während meine Nichte nach dem Anime Banana Fish Ausschau hielt.
Irgendwann haben wir unsere Schüchternheit abgelegt und nachgefragt. Das war auch ziemlich erfolgreich, so dass wir beide mit ein paar Büchern den Laden wieder verließen.
Anschließend fanden wir noch ein Geschäft mit Anime-/Manga-/Comic-Figuren. Ich kannte die meisten Figuren gar nicht, aber einen kleinen Mech habe ich dann als Erinnerungsstück doch mitgenommen. Ich muss auch zugeben, dass mich die ganzen Gundam Roboter-Bausätze sehr fasziniert haben. Das würde aber wohl auch den Platz in meinem Koffer sprengen.
Ich bin zwar kein Sammler von Pokémon-Karten, wollte aber unbedingt ein paar aus Japan haben. Zwei verschiedene Booster-Packs gab es in einem 7-Eleven zu kaufen, in einem der vielen kleinen Geschäfte auf unserem Rundgang habe ich auch mal 1.000 Yen (ca. 6 €) investiert, um bei einer kleinen Lotterie mitzumachen. „Gewonnen“ habe ich 5 Pokémonkarten – keine Ahnung, wie selten die sind. Ein schönes Andenken sind sie allemal.
Am Nachmittag/Abend wurde das Wetter schlechter und so gab es nur ein bisschen was zu Essen (super leckere Tako-yaki) und anschließend war der Tag dann für uns auch schon zu Ende.
Am darauffolgenden Tag wartete ein besonderer Ausflug auf uns. Es ging nämlich mit dem Shinkansen nach Fuji-Shin um ein paar tolle Fotos des Mount Fujis zu machen. Nebenbei war es auch sehr interessant zu sehen, wie kleinere Städtchen abseits von Tokio aussehen.
Der Ort selbst machte auf mich keinen touristischen Eindruck, aber eine Brücke, etwa 40 Minuten zu Fuß entfernt vom Bahnhof, ist in Social Media berühmt. Das zeigte sich gleich an den ganzen Leuten (etwa 20 an der Zahl), die am Fuße der Brücke geduldig warteten, bis die Personen vor ihnen mit ihren Fotos fertig waren. Das war ein ganz cooles Erlebnis, weil die Leute augenscheinlich aus aller Herren Länder kamen und sie alle sehr rücksichtsvoll waren.
Als wir abends zurück in Tokio waren, hakten wir einen weiteren Punkt von unserer Essens-Bucketlist ab und genossen ein leckeres Curry.
Tags drauf, am Samstag, machten wir erneut einen Ausflug. Dieses Mal nach Gotokuji zum sogenannten „Katzentempel“. Die Tempelanlage ist eigentlich schon schön genug, besonders wird das aber noch durch die vielen hundert Keramik-Winkekatzen, die dort stehen. In einer kleinen Hütte auf dem Gelände kann man diese in verschiedenen Größen käuflich erwerben (pro Person nur eine). Mit dem Kauf verbindet man in der Regel einen Wunsch. Man nimmt die Katze nun mit nach Hause und wenn der Wunsch in Erfüllung gegangen ist, so bringt man die Katze zurück zum Tempel und stellt sie neben die ganzen anderen Zeugnisse erfüllter Wünsche.
In dem Tempel kann man sich außerdem noch „Fortunes“ holen. Handelt es sich um eine positive Botschaft, nimmt man diese ebenfalls mit nach Hause. Schlechte werden in dem Tempel an einer bestimmten Stellen an Seile geknotet um so hinter sich gelassen zu werden.
Das Wetter an dem Tag war wirklich gut und so beschlossen wir, zurück in Tokio noch den Tempel Senso-ji zu besuchen. Dort war es allerdings sehr voll. Die Kombination aus Wochenende und gutem Wetter hatte nicht nur uns dorthin geführt. Hinzu kommt noch, dass fast unzählig viele Souvenirlädchen rund um das Tempelgelände angesiedelt sind. Wir haben uns anstecken lassen und das eine oder andere kleine Erinnerungsstück eingekauft.
Zum Ausklang des Abends ging es noch einmal in das Viertel Chiyoda für ein paar Fotos, da die kleinen Restaurants in der Nähe des Bahnhofs Vorlage für „Spirited Away“ (Chihiros Reise ins Zauberland) von Studio Ghibli waren und auch sonst ein sehr stimmungsvolles Bild abgaben.
Gestern (Sonntag; ich schreibe dies also tatsächlich im Shinkansen von Tokio nach Kyoto) war dann noch einmal ein gemütlicherer Tag mit ein bisschen Shopping, aber auch ein Besuch zum Suga Schrein stand auf dem Programm, da dort in der Nähe eine Treppe in einer Szene von Your Name vorkommt.
Zum Mittagessen kehrten wir in ein Tonkatsu-Restaurant ein, was wie bisher alles hier, einfach wieder sehr lecker war.
Ab Sonntag Nachmittag begann es wieder zu Regnen und so endete der letzte Abend in Tokio recht unspektakulär. Die Eindrücke der ganzen Woche waren aber wirklich toll. Die Stadt und ihre Menschen ticken anders, als in mir bekannten Großstädten. Die Ruhe, Rücksichtsnahme und Gelassenheit kenne ich sonst nur noch aus Schweden. Gleichzeitig ist es aber eben auch viel, viel voller. Mir ist in der ganzen Zeit auch nirgendwo ein Schild aufgefallen, auf dem vor Taschendieben oder ähnlichem gewarnt worden wäre. Es gab auch keine diesbezüglichen Ansagen auf den Bahnhöfen oder anderen vielbevölkerten Plätzen.
Tokio ist auch wirklich sauber. Obwohl, oder gerade weil es keine öffentlichen Papierkörbe gibt, liegt nirgendwo etwas rum. Ich habe auch keine Graffiti gesehen und wenn ich so zurück denke, auch keine Aufkleber – darauf werde ich aber in Kyoto auch noch einmal genauer achten. Dort bleiben wir nämlich für die nächsten sieben Tage, bevor wir am Montag nach Seoul, Südkorea fliegen.