Werbung als Motor unserer Gesellschaft?

Jan hat sich ziemlich plakativ über die Benutzer von Adblockern geäußert: Leute, die Werbeblocker einsetzen, finde ich asozial

Ich benutze AdBlocker, dank iOS 9 auch mobil, aber ich kann gut damit Leben, dass Jan mich damit asozial findet. Wir kennen (rein virtuell) uns schon länger, sind beides nicht mehr ganz so junge Männer und wissen, dass Menschen viele Facetten haben und sich nicht nur über eine Eigenschaft definieren lassen.
Soviel also schon mal dazu: Jan, ich bin Dir nicht böse!

Witzigerweise war ich wegen seinem Beitrag zum ersten Mal auf mobilegeeks.de. Und das auch nur, weil irgendwer auf Facebook den Artikel dort geteilt hatte. Witzig deshalb, weil das ja auch eine Art der Werbung ist, die ich aber nicht mit meinem AdBlocker herausfiltern konnte. Aber gut. Das passt halt in das sehr komplizierte Bild, wenn es um Werbung im Allgemeinen und online im Speziellen geht.

Ich mag Werbung nicht. Überhaupt nicht.

Da darf man nun ruhig mit dem Finger auf mich Zeigen, da ich sowohl hier, wie auch auf Blogger.de Werbung verkaufe. Und ironischerweise hat mein letzter Beitrag in diesem Blog vor fast zwei Jahren auch das Thema „Werbung“ zum Inhalt. Wie gesagt: Menschen haben viele Facetten und diese sind zur Überraschung oftmals auch durchaus widersprüchlich.

Aber zurück zur Werbung, die ich nicht mag. Ich mag nicht nur die auffällige Werbung, sondern jegliche Art der Werbung. Bei Instagram und Facebook blockiere ich die entsprechenden Konten, von denen ich gesponsorte Posts in den Feed gekippt bekomme, schneller als ich den Inhalt überhaupt wahr nehmen konnte. Warum? Weil mich Werbung genauso nervt wie jeder Zettelverteiler in der Innenstadt, der ungefragt auf mich zugeht um mir was in die Hand zu drücken. Wenn ich auf Instagram unterwegs bin, will ich Fotos von den Leuten sehen, denen ich folge. Wenn ich bei Facebook reinschaue, will ich sehen, was meine „Freunde“ dort so reingestellt haben. Wenn ich was Kaufen will, besuche ich Amazon.de. Ich möchte selbst entscheiden, wann ich was tue. Werbung hindert mich aber daran. Und deshalb finde ich sie nervend.

Websites sind aber doch auf Werbung angewiesen! Du beklaust die kleinen Publisher!

Hier wird es nun so langsam interessant und wir nähern uns so langsam der Überschrift dieses Blogbeitrages: Werbung als Motor der Gesellschaft

Wie gesagt kenne ich mobilegeeks.de nicht so wirklich, zu meinen täglich besuchten Websites gehören neben Golem.de auch noch heise.de und ein paar englischsprachige Websites mit Neuigkeiten aus der Technologiewelt. Und ganz ehrlich: wenn ich für die Informationen dort zahlen müsste, würde ich sie nicht mehr besuchen. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich dort zuletzt etwas gelesen habe, was für mich wirklich unverzichtbar gewesen wäre.
Die meisten Inhalte der letzten Tage und Wochen drehten sich doch um Neuigkeiten rund um Apple (iPhone 6s, MacOS X El Capitan, iOS 9) und Microsoft (irgendwelche neue Hardware und ein Windows 10 mobile?). Gefühlte 99% aller Beiträge auf Websites werden doch nur veröffentlicht, um Besucher zu generieren. Ich muss doch nicht wirklich zehn Mal lesen, wie groß und schwer das neue iPhone 6s nun ist.

Große Nachrichtenseiten wie Spiegel Online und Co. sind da natürlich nicht besser. Nur dass sie auch noch DPA-Meldungen benutzen um Seitenaufrufe zu generieren. Und irgendwo dazwischen sind vielleicht eigene Inhalte zu finden. Vielleicht. Denn überraschend oft ähneln sich ja die Themen, die von den großen Nachrichtenseiten behandelt werden. Das finde ich immer wieder sehr bemerkenswert. Täglich muss was neues passieren, mit dem, was man in der vorherigen Woche auf die Agenda gesetzt hat, will sich heute schon niemand mehr beschäftigen. Das zeigt ja, wie wichtig das Thema aus der letzten Woche war. Warum sollte ich mich also eigentlich heute auf die Neuigkeiten einlassen?

Wirklich globale Nachrichten gibt es doch gar nicht. „Global“ nicht im Sinne von weltumspannend, sondern im Sinne von Themen, die uns insgesamt interessieren sollten, weil sie gesellschaftlich oder politisch wichtig sind. Elektroautos sind nur ein Beispiel: wieso ist es kein Allgemeinwissen, wie so eine Gesamtbilanz von 1.000 km mit einem Elektroauto zu einem Benziner/Diesel aussieht? Was steckt so alles in einer Batterie, wie werden diese hergestellt? Wo kommt der Strom für die Elektroautos her? Wer betreibt denn die Elektrotankstellen und welche Energieträger werden von diesen Betreibern gefördert? Klar, das ist alles ziemlich komplex. Aber entweder hat sich da noch nie jemand Gedanken zu gemacht – dann wäre es höchste Zeit – oder aber die Ergebnisse sind so schlimm, dass man sie lieber nicht veröffentlichen möchte – auch dann wäre es höchste Zeit, diese zu veröffentlichen.

Ein anderes Beispiel ist die gesetzliche Rentenversicherung. Hier zuckt auch irgendwie jeder mit den Schultern. Ja, das ist so alles nicht tragbar, aber was soll’s? Statt dessen freut man sich, dass die Renten jetzt wieder um 5% steigen. So eine Nachricht ist wahrscheinlich leichter zu transportieren, denn außer der Überschrift selbst muss man eigentlich nicht viel mehr lesen. Hauptsache der Leser kommt vorbei und sieht dabei evtl. noch die Werbung.

Werbung als Motor der Gesellschaft

Ich freue mich ja für Jan, dass er mit seinen Onlineprojekten Geld verdient. Ich selbst arbeite in einer Internetagentur und fühle mich selbst ja oftmals schlecht, dass ich Geld für etwas bekomme, was eigentlich keinen Wert hat. Das sind alles nur irgendwelche Elektronen, die durch Leitungen schwirren und am Ende auf einem Bildschirm angezeigt werden.

Ich stelle nichts her was man anfassen oder verbrauchen könnte. Der reale Wert ist also eigentlich nicht vorhanden. Und davon lebe ich sogar ziemlich gut! Wahrscheinlich werde ich im Endeffekt auch von der Werbeindustrie bezahlt. Bei kommerziellen Websites ist die Rechnung aber ganz einfach: ohne Werbung gibt es kein Einkommen und entsprechend würden die Websites schließen müssen. Das ist ja das, was den ganzen Zeitungen passiert.

Wahrscheinlich 99% des Angebots im Internet wird durch Werbung finanziert. Das muss man sich mal überlegen. Ich persönlich zahle nichts für irgendeinen Inhalt im Internet. Ich kaufe/bezahle regelmäßig über das Internet diverse Sachen, aber für Inhalte selbst zahle ich – soweit ich mir dessen gerade bewusst bin – nichts. Und ich fühle mich dabei nicht als Schmarotzer. Ich habe mal eine zeitlang Geld für einen flickr-Account bezahlt und würde wahrscheinlich auch für Twitter und Facebook zahlen. Aber die Möglichkeit habe ich ja gar nicht.

Zurück zur Werbeindustrie. Was ist das doch für ein verrücktes System. Irgendwie haben es die Werbetreibenden geschafft, die Hersteller von Produkten davon zu überzeugen, dass sie jede Menge Geld raushauen müssen, damit die Konsumenten auf ihre Produkte aufmerksam gemacht werden. Ohne dass auch nur ein Hersteller wirklich weiß, dass diese Werbung funktioniert. Denn auch diese ganzen Referall-Cookies und andere Methoden um den Weg von Werbung zur Bestellung zu tracken sind natürlich murks. Oder die tollen Umfragen zur Bekanntheit von Marken. „Meinungsforschungsinstitute“ sind ja auch so eine tolle Sache. Ein weiterer Wirtschaftszweig, der sich aus der Werbeindustrie nährt und darüberhinaus keinen wirklichen Zweck hat.

Was ist denn die Alternative?

Ich bin kein Wirtschaftsexperte, höre aber schon die „das ist halt Kapitalismus“-Rufe in meinem Hinterkopf. Ja, kann sein. Und ich weiß auch nicht, wie das alles anders werden könnte. Ich finde nur, dass man endlich aufhören sollte, solche Diskussionen immer nur so oberflächlich zu führen. Ich wünschte mir, dass jeder leise in sich hineinkichert, wenn er auf mobilegeeks.de einen Beitrag gegen Adblocker liest, weil er dabei erkennt, dass dieser Beitrag letztendlich nur veröffentlich wurde, weil er Besucher anlocken wird und somit zu potentiellen Werbeeinnahmen führt. Weil das nun einmal das Geschäftsmodell der Website ist. Das ist alles legitim, aber bitte verliert doch das Große Ganze nicht aus dem Blick.

Das führt dann vielleicht auch dazu, dass man eben nicht so einfach einen Beitrag raushauen kann. Und da beziehe ich meinen ausdrücklich mit ein. Ich glaube kaum, dass ich wirklich rüberbringen konnte, was mich an diesem Mega-Thema „Werbung“ alls beschäftigt. Und vielleicht säge ich mit der Verwendung eines Adblockers an meinem eigenen Ast. Aber eine Welt ohne Werbung ist für mich lebenswerter als eine mit. Deshalb habe ich auch kein schlechtes Gewissen einen Adblocker zu nutzen und würde lieber früher als später erleben, was mein Einsatz von Adblockern wirklich für Konsequenzen nach sich zieht.

Nachtrag (21.10.2015): Auch Felix hat sich nun zu diesem Thema geäußert und dabei ein paar lesenswerte Überlegungen aufgegriffen. Gerade der Teil, wo es darum geht, dass wir mit unserer Aufmerksamkeit für Werbung bezahlen, trifft ziemlich gut die Gründe, warum ich Werbung nicht mag: Ich möchte selbst entscheiden, wann ich was meine Aufmerksamkeit widme.

4 Gedanken zu „Werbung als Motor unserer Gesellschaft?

  1. Und wie ist es mit Brautwerbung? Ich gebe zu, ich komme aus dem Marketing und habe einen anderen Bezug zu Werbung, nämlich: „Klappern gehört zum Handwerk.“ Es gibt keine Politik ohne Werbung (und damit meine ich nicht primär Wahlplakate). Es gibt kein Produkt ohne Werbung. Stell dir vor, du hast das beste Produkt der Welt, aber keiner kauft es, weil es keiner kennt.

    Jedes Ding auf der Welt kann gut oder schlecht genutzt werden. Das gilt für das Küchenmesser, das Feuer, und letztlich auch für die Werbung, die nur eine spezielle Form von Kommunikation ist. Natürlich wird da gelogen und manipuliert. Menschen lügen und manipulieren. Selbst Menschenaffen (Schimpansen, Gorillas) tun das. Sie bilden Netzwerke, sie täuschen, sie manipulieren. Man könnte das auch als zwangsläufige Nebenwirkung höherer Intelligenz bezeichnen.

    ABER: Werbung bzw. beworben werden zu vermeiden, ist natürlich genauso legitim, wie selber zu werben. Adblocker sind okay, Gegenmittel gegen Adblocker aber auch ;-)

  2. Ich habe auch schon in der Branche gearbeitet.

    Es gibt kein Produkt ohne Werbung. Stell dir vor, du hast das beste Produkt der Welt, aber keiner kauft es, weil es keiner kennt.

    Das Argument wird gerne angebracht. Ich sage dazu: Na und? Dann ist es wahrscheinlich eben kein so gutes Produkt, dass es jeder haben muss. Brauchen wir wirklich jeder einen 4K Fernseher? Die sind klar besser als die vorherigen, aber man muss sie nicht wirklich haben. Und es wird massiv Werbung dafür gemacht.

    Werbung soll das Gefühl vermitteln, dass man etwas braucht, was aber tatsächlich gar nicht so ist. Das finde ich anstößig.

    • Werbung ist, wie der Mensch an sich. Man will andere Menschen für sich gewinnen, sie manipulieren (auch unbewusst, schon Kinder versuchen, ihre Eltern zu manipulieren). Du vertrittst einen sehr idealistischen Standpunkt, der, wie jeder Idealismus, an der Realität scheitert.

      Nimm Dir Markenprodukte. Die sind doppelt bis dreimal so teuer wie die gleichwertigen (oft sogar vom gleichen Hersteller) in den Discountern. Warum? Weil sie Werbung machen. Auf den ersten Blick ist das ein Argument GEGEN Werbung. Auf den zweiten zeigt es aber die Notwendigkeit von Werbung. Die Discounterprodukte brauchen keine Werbung, da sie in den Discountern ausliegen und billig sind. Die Markenprodukte aber können überhaupt nur über Werbung verkauft werden. So wird der Händler auf sie aufmerksam. Und der Kunde. Keine Aufmerksamkeit, kein Verkauf. Selbst das beste Produkt der Welt kann nicht verkauft werden, wenn es nicht zumindest vom Händler präsentiert und beworben wird. Wie erreicht man aber den Händler? Durch Werbung.

      Der Grund, warum ich hier eigentlich gelandet bin: Ich bin sehr dankbar für Deine Blogger-Plattform (Blogger.de). Wenn Du sie ohne Werbung finanzieren kannst: Super. Weiter so. Aber ehe ein Projekt untergeht, weil Kosten oder Arbeitsaufwand zu groß werden, sollte man lieber Werbung machen. Auch viele Tageszeitungen sind dazu genötigt, schlicht, um zu überleben und keine Leute entlassen zu müssen. Der Zweck heiligt die Mittel.

      Grüße von Pommes

  3. Nennt’s doch „Reklame“, das ist nicht beleidigend, ärgert aber die uns auf die Nerven gehenden Reklamefuzzis, bezahlte Windmacher, Marktschreier, Swineprieser, Wortmüllerzeuger…
    (…stammt in der Grundidee nicht von mir sondern vom hochverehrten Max Goldt).
    .
    Von den vielen Bonmots gegen diese Seuche nur eins:
    Als es noch um die Wahrheit ging, hätten wir gesagt: Das Gegenteil von Wahrheit ist, abgesehen vom Schein, die Lüge. Heute sagen wir, das Gegenteil von Wahrheit ist Reklame. (Ludger Lütkehaus)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert