Man sollte es nicht tun. Aber man kann es tun, wenn man keinen Namen nennt. Und wenn die Gefahr, dass derjenige sich wiedererkennt einfach verschwindend gering ist. Zum Beispiel weil man sich sicher ist, dass derjenige ein Blog nicht erkennen würde, wenn er drauf sitzt.
Um wen geht es? Um einen Bewerber hier bei uns. Um die Stelle eines Projektleiters. Die Bewerbung war umfangreich, SAP und Siemens sind jetzt zwar keine Könige der Internetwelt, aber immerhin doch was solides und vertraut mit Strukturen, die wir hier gerne verstärken möchten.
Das Ergebnis war aber katastrophal. Zum ersten Mal bei unseren Vorstellungsgesprächen haben wir vorzeitig abgebrochen, weil es einfach keinen Sinn machte. Warum? Kostproben gefällig?
Wir: Was sind für Sie momentan die spannensten Dinge im Internet?
Er holt aus und erzählt, dass er vor fünf Jahren bei der SAP auf Basis von XML/RPC oder SOAP WebServices miteinander kommunizieren lies.
Wir: Was sind denn so Websites, die sie täglich benutzen?
Er: Also als Suchmaschine benutze ich Yahoo.de. Ich war früher an der Uni im Unix-Bereich und da haben wir Altavista benutzt und dann kam halt Yahoo.de. Dann gibt es da noch Google.de, aber die sind noch etwas neu und auch eher für ein jüngeres Publikum. Die haben so bunte Buchstaben.
Dann erzählte er außerdem noch, dass er PHP ja so toll findet, weil es stetig weiterentwickelt wird und man nach ein bisschen Recherche sogar kostenlose Mailformulare herunterladen und in seine Seite einbauen kann. Wer mehr benötigt, kann dann auch eine kostenlose Portalsoftware wie Typo 3 herunterladen.
Die letzte Chance bekam er dann anschließend: Kennen Sie MashUps? del.icio.us? Flickr?
Er: Nein. Nein. Nein.
Wir: Kennen Sie Blogs?
Er: Das sind doch so News… Ist das nicht ein Wort aus zwei zusammengesetzt? Da gibt es doch noch so eine Abkürzung… So Videos im Internet.
Wir: YouTube?
Er: Nein.
Wir: Vlogs?
Er: Ja, genau.
Nachdem wir ihm dann sagten, dass wir keinen weiteren Sinn mehr in dem Gespräch sehen würden, meinte er noch sehr bezeichnend, dass er es gewohnt ist, dass der Abteilungsleiter zu ihm kommt und ihn dann zu einem Kunden schickt, damit der ihm dann sagt, was er zu tun hat.
Das war also Projektmanager 1.0. Und wo bleibt der zum Web 2.0 passende PM 2.0?
Unglaublich. :)
Unfassbar. Aber lustig :)
Tja, wir wussten auch nicht genau, ob wir die Köpfe schütteln, oder den Bauch vor Lachen halten sollten…
Wirklich unglaublich! o.O
Sorry dass ich hier anonym poste aber ich will hier ehrlich was dazu sagen und sonst könnte ich bei uns in der Firma Probleme bekommen.
Wir haben etwa 10 Projektmanager bei uns im Haus, die allesamt mit IT-Projekten zu tun haben (weniger Web, aber trotzdem viel IT) und bei 8 dieser 10 wäre dieses Gespräch ähnlich abgelaufen.
Es ist erschreckend, wieviele Leute überhaupt nicht mitbekommen, wie sich die IT-Welt verändert und wie diese Leute sich in ihren Denk-/WissensWelten verkriechen.
Ich denke, daß viele IT-Leute aus lauter IT-Beruf-Routine dann nicht mehr über ihren Tellerrand gucken können und daher kaum auf die Neuerungen gucken können – sie also als Spielereien abtun. Viele verkriechen sich wirklich hinter ihren Welten, und kommen so für Jahre oder gar Jahrzehnte nicht mehr heraus.
Aber welcher Kunde braucht del.icio.us oder flickr? Nur Seiten, bei denen man viel kommentieren möchte?
Es geht ja nict um del.icio.us oder flickr, sondern die Konzepte dahiner. Benutzergenerierte Inhalte, Soziale Netzwerke und Verschlagwortung. Wer davon heutzutage nichts gehört hat, ist bei uns nunmal fehl am Platz, denn ich will einem Projektleiter die Konzepte und Ideen nicht erklären müssen. Er muss sich unsere Projekte ansehen und automatisch zig Anknüpfungspunkte zu obigen Konzepten sehen.
Seit mehr als 5 Jahren arbeite ich in der IT eines „old economy“-Unternehmen. Wir sind zwar mittelständisch (< 10000 MA), sehen uns aber als „Global Player“ (bla bla). Ihr glaubt doch wohl nicht im Ernst, dass hier (ausser in meinem direkten Umfeld) schonmal jemand von Wikis, WebZwoNull, Flickr, RSS, Blogs etc. gehört hat, geschweige denn weiss, was das ist…
Sucht eure Mitarbeiter per Blogeintrag – dann seid ihr zumindest schon mal bei der Zielgruppe ;)
@Oliver: Jobangebote per Blog haben wir auch schon probiert: http://lumma.de/eintrag.php?id=2445
Wie lautete denn die Stellenbeschreibung inkl. Anforderungen, auf die sich der Herr bei Euch beworben hat? Was hat Euch denn bewogen, den Mann einzuladen. SIEMENS kann’s ja wohl nicht gewesen sein, oder? In Unternehmen dieser Größe verbringt man doch 1/3 seiner Zeit mit Admin-Kram und ein weiteres Drittel damit, bloß nicht dumm aufzufallen (aka ‚A*sch absichern‘). Das restliche Drittel ist Urlaub, Fortbildung etc.
Projektmanager 2.0 gab’s doch schon Ende der 90er, zur guten dotcom-Zeit mit den grossen Agenturen.
Die dollsten Eigenschaften waren (bzw. sind leider noch) u.a. „keine Ahnung haben von dem was man macht“, „alles versprechen und nichts halten“ und „einfach nichts tun“.
Sehr hübsch. Bewerbungsunterlagen sind immer so eine Sache. Sein, Schein, lala. Habt ihr inzwischen jemanden gefunden?
Hallo Dirk,
die Ausschreibung in Nicos Blog habe ich damals mitbekommen, auch kommentiert. Ich weiss auch, dass das damals ziemlich lange gedauert hat. Dennoch habt ihr einiges an Aufmerksamkeit erregt und es hat euch 0 Cent gekostet (von der Arbeitszeit mal abgesehen).
Das Netz ist seit 2004/2005 wieder mal in Bewegung gekommen, der entsprechende Stichtag war für mich der Ajax-Post auf adaptivepath.com, als auf einmal viele wieder Dollars in den Augen hatten, ganz wie vor 7/8 Jahren.
Entsprechend wird es bald (es hat ja schon begonnen) wieder Heißdüsen genug geben, die den Karren vor die Wand fahren ;) Sei froh, dass Du in dem Bewerbungsgespräch so leicht feststellen konntest, dass der Bewerber nicht passt – wenn die Jungs erstmal den aktuellen Buzzwords-Duden auswendig gelernt haben, kann man wieder kaum zwischen Gold und Blech unterscheiden.
Schwierig ist da auch der Titel „Projektmanager“. Hier gilt einhellig das ungeschriebene Gesetz, dass der Projektmanager nur führen und organisieren, aber keine Ahnung von der Materie haben muss. Wo kämen wir denn da hin, wenn der Projektmanager mit gefährlichem Halbwissen im Editor rumpfuscht! Schwierig wird dann die Schnittstelle Experte – Projektmanager – Entscheider.
Ist ein bisschen viel Ironie geworden, das Kommentar, also ganz vorsichtig lesen ;) Naja, ich wünsche euch auf jeden Fall noch viel Glück!
Ich möchte das auf eine grundsätzlichere Ebene bringen: Für mich zeigt dies, dass all die Innovations-Initiativen und Ruck-Reden nicht die Probleme Deutschlands beheben können: Bequemlichkeit, Interessenslosigkeit, Ignoranz.
Hatte er denn schon ein Handy ? Wenn ja, welches ?
„Du wirst Dich schämen für Deinen Ziegenbart“ (Bernd Begemann)
und sich nu2m für seinen herablassenden Bewerber-Diss.
Ok, ist halt ne alte Siemens-Flöte. Aber was ist das denn für eine kewler 2.0-Manager-Job? Ajax, LAMP, blah.
Alter Wein in neuen Schläuchen 2.0 beta – sage ich mal so als IT-Opa. Da muss man sich nicht schämen für und SOAP, etc. ist auch nicht uninteressant.
Ok, wenn der Bewerber überlegt, nun doch mal das USB-Kabel von seiner Digi-Cam auszupacken weil Yahoo jetzt irgendeinen Bilder-Service hat, ist das natürlich geschenkt – aber sich höhnisch auf seiner kewlen OO-LAMP auszuruhen ist ein wenig lächerlich.
Ich schwör(! ;-)), Du wirst in 5 Jahren wünschen Du hättest eher mal Konzepten vertraut als irgendsoeinem austauschbaren Pingback-Dreck und Flickr-Moden hinterherzulaufen.
Das ist natürlisch genauso superklasse wie langweilig. Ist halt nunmal Stand der Technik. Als Entwickler steht man da drüber.
Es soll wirklich ein Projektmanager 2.0 sein?
Wollt Ihr nicht leiber warten … meißt kann man doch erst ab Version 3 arbeiten ab Version 4/5 wird es produktiv.
Aber ich kenn auch eine Menge Leute die dicke in der IT sind und bei Web 2.0 an einen neuen HTML Standart denken.
Herrlich, dass die Leute immer noch denken ein Projektleiter muesse sich irgendwie in der Thematik auskennen. Wenn man nen guten Projektleiter hat, kann er genausogut nen Schiff bauen lassen wie er Software bauen lassen kann. Naja, nen bisschen Erfahrung sollte man schon mitbringen.
Haette der Typ die Fragen mich gefragt… ich haette auch keinen Plan gehabt:
>Wir: Was sind für Sie momentan die spannensten Dinge im Internet?
Was isn das fuer ne Frage? Pr0n natuerlich… LoL
>Wir: Was sind denn so Websites, die sie täglich benutzen?
Benutzen? Wozu? Siehe vorherige Frage!
>Wir: Kennen Sie Blogs?
Ja. Sind aber mindestens so gay wie SOAP…
>Kennen Sie MashUps? del.icio.us? Flickr?
Nur Flickr… hat doch auch was mit pr0n zu tun, oder?
Das der Typ auf die gleichen hippen Keywords abfaehrt wie der Bewerber (flickr, blogs, rss…) nur in anderer Umgebung, faellt keinem auf. Beim Bewerber ists dann halt der Businesskram (SAP, XML, RPC, SOA), der ganz nebenbei sogar noch mehr Geld bringt, obwohl man seinen A**** genauso verkauft.
Die Welt besteht nicht nur aus Macintosh und Flickr :-)) Und EDV ist nicht gleich Internet. Lustigerweise wissen die meisten, die Flickr kennen nicht, wie man eine sichere Anwendung schreibt, die dann auch performant über Jahre hinweg einwandfrei funktioniert.
Also würde ich die Welt nicht so Schwarz-Weiss wie diesen Blog sehen und einfach die Leute einstellen, die zu Euch passen. Wenn es „Flick Leute“ sind, wunderbar … vergesst aber nicht, dass der gute Mensch mit seinen SAP Kentnissen Euch vielleicht auch etwas Renome gegeben haben könnte … und das fehlt aus meiner Sicht vielen neuen und jungen Firmen.
Natürlich ließ aber die Unkenntniss von Google tief blicken und Altavista ist bekanntlich auch schon etwas älter. Summa Summarum habt Ihr also trotz des oben aufgestellten Statements die richtige Wahl getroffen :-))