Unter dem Titel Eine Farce der Ehre versucht sich der Spiegel mal wieder an einer Filmkritik. Dabei hängt mir noch ein Satz von T.C. Boyle nach, der in einem Interview sagte, dass er Kritiker für enttäuschte Künstler hält. Wenn Kritiker nicht zu schlecht wären um Filme zu machen oder Bücher zu schreiben, müssten sie andere nicht zerreißen. Das entbehrt nicht einer gewissen Logik, er fügte außerdem hinzu, dass jeder, der eine Meinung hat, eine Kritik schreiben könne.
Und da es zu jeder Meinung mindestens eine andere gibt, will ich mich an dieser Stelle mal mit der Meinung von Oliver Hüttman zu Last Samurai befassen:
[Zwick] schildert eine Phase des Umbruchs, als westlicher Fortschritt auf die alten japanischen Werte prallte. Dieser Aufprall ist hier wörtlich zu nehmen: Samurai treten gegen Soldaten an, Klingen treffen auf Karabiner. Denn Zwick ist nicht daran gelegen, das Für und Wider eines kulturellen Austausches oder gesellschaftlicher Entwicklungen aufzuzeigen. Es geht ihm allein um den Kämpfer. Um Kampftechniken.
Da frage ich mich jetzt doch tatsächlich, ob der gute Mann erwartet, dass ihm alles haarklein erzählt wird. Alleine durch die Darstellung im Film wird klar, dass dies eine Zeit des Umbruchs in Japan war. Das Für und Wider dieser Geschehnisse muss mir dann nicht noch aufgezeigt werden. Außerdem wird diese Zerrissenheit durch den Kaiser sehr gut dargestellt und keinesfalls ignoriert. Wer Last Samurai nur als Film über Kämpfer empfunden hat, kann nicht unbefangen in den Film gegangen sein.
Deren Anführer Katsumoto (Ken Watanabe) glaubt die genuinen japanischen Traditionen bedroht und will die angestammten Umgangsformen bewahren. Tatsächlich ist es natürlich ein politischer Machtkampf.
Zwick – und damit auch Algren – aber scheren sich darum wenig. Sie sehen die Samurai als Lichtgestalten, das Reine, eine edle Kriegerkaste, um die sich Legenden der Tapferkeit und Loyalität ranken.
Dazu sei gesagt, dass sich der Kaiser zum Schluß auf die Traditionen besinnt und somit Oliver Hüttmann blass aussehen läßt. Es geht doch nicht nur um die politische Vorherrschaft, sondern um die Bewahrung der kulturellen Identifizierung.
Im ersten Gefecht von Algrens japanischen Truppen tauchen die berittenen Schwertkämpfer aus dichtem Nebel auf wie verwunschene Gestalten.
Meiner Meinung nach wurde dadurch eindrucksvoll die Ehrfurcht der neu ausgebildeten japanischen Soldaten vor den Samurai dargestellt, ganz im Gegensatz zum späteren Kampf auf dem Schlachtfeld.
Die Frauen sind still und unterwürfig, die Männer üben sich im Kampf, selbst die Jungen dreschen mit Stöcken auf sich ein. Abends sitzen alle auf einem mit Fackeln erhellten Platz und verfolgen ein Theaterstück.
Das Theaterstück wird an einem Abend gezeigt. Wer daraus auf einen immerwährenden Tagesablauf schließt, muss ein einfaches Weltbild haben.
Und am Ende galoppieren die Samurai mit erhobenen Schwertern dem Kugelhagel aus Maschinengewehren entgegen. Das ist dumm, wird aber als ehrenvolle Verzweiflungstat gefeiert. Lieber sterben, als sich unterjochen lassen, so funktionieren alle Heldenlieder auf der ganzen Welt.
Und aus demselben Grund müssen sie noch lange nicht schlecht sein. Und es zeigt doch nur das unvermeidliche: dass sich die neuen Errungenschaften aus dem Westen durchsetzen werden, trotz aller Traditionen. Das Kunststück, diese dann trotzdem zu bewahren ist den Japanern gelungen und wird auch in dem Film gut umgesetzt – man muss es nur sehen wollen. Wer von einem Spielfilm dokumentarische Erklärung erwartet, sitzt sprichwörtlich im falschen Film. Und wer nicht über den Rand einer Filmdose hinweg sieht, kann natürlich nur Bilder bewerten, aber keinen Film.